Aufstieg und Fall der Republik London

Es begann alles an einem lauschigen Freitag Abend. Clemens wollte ein bisschen civen, war aber auf der Suche nach einer Abwechslung. Da erinnerte er sich daran, dass bei Reddit ab und zu Screenshots von Leuten gepostet werden, die es schaffen, das Spiel mit nur einer einzigen Stadt zu gewinnen: Die One City Challenge.

Super! Das klingt doch nach genau der richtigen Aufgabe.

Setup

Und so sah das Setup aus:

Sie hat die Haare schön.

Ich dachte mir: Hey, wenn ich mich schon auf eine Stadt beschränke, die schnell wachsen sollen, dann könnte ich mich ja auch ein bisschen im Loyalty-Game versuchen. Der Loyalitätsdruck hängt ja auch direkt von der Einwohnerzahl ab.

Und dann würde sich Eleanor anbieten. Die ist da wirklich prädestiniert, zumal Städte, die rebellieren, sofort zu einem überlaufen, statt erstmal noch unabhängig zu sein. Und weil ich schon mal ein Game mit Eleanor von Frankreich gewonnen hatte, habe ich Eleanor von England gewählt. Die hat auch die spannendere Frisur.

Karte ist Pangäa, denn übers Meer kann man keinen Loyalitätsdruck aufbauen. Schwierigkeit hab ich mal nicht Deity gemacht, sondern Emperor, um mich nicht so sehr auf Militär konzentrieren zu müssen. 6 Spieler*innen, passt. Desaster wie immer hoch gestellt (hier im Screenshot falsch).

Und so sah mein Start aus:

Turn 1. Hübsch 🙂

Da bin ich auch direkt geblieben. So würde es mir möglich sein, mit dem Ausbau der Küsten schnell zu wachsen. Das Land nördlich sah auch nicht besonders vielversprechend aus. Und die Wüste unten rechts könnte ein Pyramiden-Platz sein.

Und weil ich wusste, dass es darauf ankommen würde, so viele Distrikte wie möglich zu bauen (der einzige wirkliche Vorteil einer großen Stadt), habe ich auch gleich mit der Stadtplanung begonnen:

Disclaimer: Den Screenshot habe ich nachträglich erstellt (aber ich habe tatsächlich so früh so detailliert geplant).

Ausgangspunkt war die Industrial Zone, denn besonders produktiv ist mein Land nicht, und das dort wäre der einzige sinnvolle Spot. Dann kamen Commercial Hub und Great Zimbabwe – ein Wunder, das ich immer auf dem Schirm habe, weil es so albern spezifische Voraussetzungen hat (neben Commercial Hub und Kühen) und deswegen oft nicht von der AI gebaut wird. Commercial Hubs kriegen zudem einen Bonus von Flüssen. Um die Industrial Zone dann zu maximieren, konnte der letzte Spot nur für die Government Plaza sein. Jeder andere Distrikt hätte nur 0,5 Nähe-Bonus gebracht, und die verfallen.

Außerdem hatte ich durch mein schnelles Wachstum und den Mangel an Luxusressourcen früh Amenity-Probleme. Daher habe ich den Pantheon genommen, der mir für ein Holy Sight neben einem Fluss 2x Housing und 2x Aminities gibt.

Das Theater Square ist da oben, weil Eleanore mit großen Werken Loyalitätsdruck auslöst, und zwar in einem Radius von 9 Feldern. Daher habe ich es so nah wie möglich an meine Nachbar*innen herangebaut.

Und so begann die Partie. Ich hatte Sumerien und Skythien als Nachbar*innen. Sumerien ist gut, denn Gilgamesh nimmt immer sofort deine Freundschaftsanfrage an. Skythien fand mich auch irgendwann dufte, sodass ich grundsätzlich militärisch safe war und mich auf alles andere konzentrieren konnte.

Sprung nach vorne

Erkenntnis 1: Wenn man nur eine Stadt versorgen muss, geht das Spiel wahnsinnig schnell vorwärts! Richtig gut. Die Zeitalter flogen nur so vorbei.

Erkenntnis 2: Der Versuch, irgendein Weltwunder zu bauen, wenn es gerade aktuell ist, ist völlig vergebens. Man ist am Anfang so sehr mit dem Aufbau der Stadt beschäftigt, dass man sich schnell daran gewöhnt die Benachrichtigung dafür zu bekommen, dass wieder ein Wunder gebaut wurde. Der höhere Schwierigkeitsgrad mit den Startvorteilen der AI tut sein übriges.

Erkenntnis 3: Great People Matter! Insbesondere der Great Engineer, der es einem erlaubt, einen Distrikt mehr zu bauen, war sehr wertvoll. Aber auch Great Scientists können am Anfang sehr helfen. Und für meine Belange natürlich Great Writers und Co.

Wichtigste Erkenntnis war jedoch: Das ganze Unterfangen war absolut aussichtslos. 🤣 Hier mal mein erster echter Screenshot:

Turn 267 / 1780 AD – Olbia findet mich dufte.

Anlass war mein erster erfolgreicher Loyalty Flip. Wir sehen, das Spiel ist bereits weit fortgeschritten, und ich bin in sämtlichen Belangen hinterher, und zwar mit großem Abstand. Klar, wie soll man mit einer Stadt auch gegen die 10 Städte der AI anstinken? Science, Kultur, Gold, das alles kann man nur in Maßen akkumulieren mit jeweils einem Distrikt pro Sorte. Handelsroutenkapazitäten sind begrenzt, Stadtstaaten auch. Es war völlig aussichtslos.

Dafür hat es aber großen Spaß gemacht, die Stadt auszubauen. Ganz am Anfang habe ich wie wild Farmen gebaut um schnell zu wachsen, und nebenher immer die Distrikte, so gut wie nie Militär. Wunder habe ich außer dem Great Zimbabwe (hurra, ich hab es wirklich bekommen!) zunächst nur noch das Mausoleum von Halicarnassos gebaut, weil es noch da war. Es war aber absolut sinnvoll, denn es gibt +1 Science und +1 Kultur für jedes Küstenfeld. Würde man einen solche Run nochmal machen und besser planen wollen, wäre das eines der Key-Wunder, auf das man hinarbeiten sollte.

Meine Gouvernante war Liang, und konnte es auch nur sein:

Premium-Gouverness Liang macht das Ding.

Sie ist einfach immens stark, wenn sie immer in derselben Stadt bleibt. Alle Builder haben einen Stack mehr, Distrikte sind günstiger, sie hat die fantastischen Fisheries (oben im Screenshot überall an der Küste zu sehen), und die nicht minder wunderbaren Stadtparks (Amenities!). Außerdem beschützt sie einen bei Desaster Intensity 4 vor allerlei Verwüstung. Tatsächlich könnte man sich aber überlegen, ob man es beim nächsten mal nicht doch mit Pingala versucht, der einem ja +1,15 Science und Kultur pro Einwohner einbringt, was auch stark ist.

Nebenher hab ich dann noch Amani und Viktor für das Loyalty-Game aufgebaut. Andere habe ich mir nur für ihre Basis-Loyalität geholt.

Es war also eigentlich sehr schön. Ich wusste, das konnte ich nicht wirklich gewinnen, aber weil es so schnell vorwärts ging war ich neugierig, wer dann das Rennen machen würde. Und irgendwann (s.o.) ging das mit den Loyalitäts-Flips auch wirklich los. Eine Stadt von Skythien, und danach zahlreiche das insgesamt erstaunlich schwachen Sumerers, schlossen sich der Republik London an.

Turn 270 / 1795 AD – nur 3 Turns später kommt Eridu dazu. Schon traurig, wie wenig ausgebaut diese beiden Städte sind. Allerdings könnte es auch sein, dass alles voller Ziggurats war, den Spezialgebäuden der Sumerer (siehe rechts, in den anderen Städten). Die gehen bei der Übernahme der Stadt immer verloren.
Turn 291 / 1840 AD – Adab bringt wenigstens mal ein paar Distrikte mit. Und siehe Minimap: Mein Reich zieht eine richtig schöne Schneise durch die Welt. 😁

Neben Bevölkerungswachstum, Governourn und großen Werken für Eleanor (von denen ich kaum welche hatte, weil man mit einem einzigen Theater-Distrikt kaum Punkte erzeugt), braucht es für die Loyalität natürlich insbesondere auch die Entertainment-Distrikte und das zugehörige Stadtprojekt „Brot und Spiele“. Hier mal ein Zwischenstand aus Turn 293, der London in seiner ganzen Pracht zeigt (besonders gefällt mir die Küste):

Turn 293 / 1844 AD – ein Zwischenstand

Ich habe auf Feldern, die außerhalb des 3. Rings lagen, abgeholzt und geerntet was ging. Und ich habe dort auch Farmen und Co. gebaut in der Hoffnung, dass die trotzdem Housing liefern. Erkenntnis: Tun sie nicht.

Ah, und ich hatte das Bolschoi-Theater! Das passte mir auch sehr gut in den Kram. Vermutlich hab ich das nur bekommen, weil das in einer Sackgasse im Politik-Baum liegt. Und schaut mal auf China und Skythien: Die waren in Politiken vermutlich schon doppelt so weit wie ich.

Meine eigenen Politikkarten waren an diesem Punkt übrigens alles, was ich zum Thema Housing, Amenities, Loyalität und Geld auftreiben konnte.

Turn 308 / 1874 AD – Lagash ist für eine weile die Letzte Stadt, die sich mir anschließt.

Hier im Bild sieht man auch schön, dass mein Land mitten im Kriegsgebiet liegt: Skythien und Sumerien beschießen sich auf meinem Grund und Boden. Das arme, gebeutelte Volk…

Und so, dachte ich, könnte es jetzt eigentlich bis zum Schluss weiterlaufen. Die ersten gegnerischen Rockbands gingen mir auf die Nerven, immer mal wieder kam der Hinweis, dass irgendeine gegnerische Kultur jetzt dominant bei mir ist, und ich hielt einen gegnerische Kultursieg für am wahrscheinlichsten. Für mich hätte die einzige Chance darin bestanden, einen Miracle-Diplo-Sieg aus dem Hut zu zaubern. Ich bekam dann doch auch noch die Freiheitsstatue, und es sah stellenweise ganz gut aus (16/20 Punkten). Aber da kann man noch so sehr sparen: Man kriegt beim nächsten Weltkongress 100% 3 Punkte abgezogen, und dann war es das.

Turn 366 / 1945 AD – Sippar! Das ist ein großer Brocken.

Und schaut, die Hauptstadt des Sumerers fängt auch an zu wanken. Dann kann ich ja wenigstens auf den letzten Metern doch noch ein richtiges Reich aufbauen!

Aber moment mal, was ist das da unten links? Eine Bombard-Armada des Chinesen? Na ja, die scoutet bestimmt nur. Der lächelt mich ja schließlich an, und wir waren lange befreundet und sogar auch mal alliiert…

Going down to Chinatown

Turn 386 / 1947 AD – WTF…

Fabia… Der Chinese findet, er müsste jetzt mal ein Zeichen setzen. Er ist bei der Science ja auch ordentlich weit vorne, und hat scheinbar keine kosten und Mühen gescheut, ein paar Giant Death Robots zu produzieren, die da gerade übers Meer gestiefelt kommen! What. The. Fuck. Ich bin natürlich rein gar nicht darauf vorbereitet. Oben links seht ihr ja, woran ich gerade forsche.

Ich nehme an, er hat sich den militärisch schwächsten Spieler rausgesucht. Aber wirklich mal: Wieso greift der nicht einfach seine Nachbarn an? Oder kümmert sich um seine Siegbedingungen, von denen er zweifelsohne mehrere im Köcher hat.

Turn 369 / 1984 AD – Während das passiert, habe ich endlich einen Weg gefunden, wenigstens ein bisschen was von meinem angesammelten Glauben auszugeben: Kraft meiner Builder, die Minen abgerissen und Wälder gepflanzt haben, war der Charme dieser Ländereien irgendwann auch groß genug, um zwei National Parks zu platzieren.

Und so ging es dann eine Weile. Die erste Welle GDRs konnte ich noch abwehren. Städte sind irgendwann zäh bei der Verteidigung, und die AI ist einfach nicht schlau. Die Roboter sind durch mein Land spaziert und haben sich beschießen lassen, bevor sie sich dann mal um London gekümmert haben.

Turn 379 / 1958 AD – die beiden GDRs sind langsam vernichtet.

Und ich dachte, vielleicht war es das dann. Aber nein, war es natürlich nicht. GDR um GDR entstieg dem Ozean westlich von London, und auch wenn ich natürlich schnell Einheiten rauspumpen konnte: Sie waren ihnen technologisch einfach nicht gewachsen.

Ich habe dann keine Screenshots mehr gemacht, sondern es einfach über mich ergehen lassen. Und es kam, wie es kommen musste. Hier der Screenshots 2 Turns vor dem Ende des Spiels:

Turn 410 / 1989 AD – Stadt verloren, 8 Einwohner tot. Es bricht mir das Herz…

So sehr hatte ich mein London liebgewonnen, obwohl es schon so früh im Spiel zum Scheitern verurteilt war. Ich habe es durch alle Widrigkeiten gehegt und gepflegt, hatte geplant, es wachsen lassen, jedes einzelne Feld liebevoll bearbeitet. Und dann das. Da war auch mit Loyalität kein Rankommen. Dazu war London, ironischer Weise, einfach zu groß.

Der Chinese hatte zwar auch noch Olbia und Larsa eingenommen, die kamen aber sehr schnell wieder zu mir. Aber natürlich mit wesentlich weniger Bewohner*innen.

Auf der anderen Seite sieht man, dass ich Sumerien noch zwei Städte abgenommen habe, unter anderem seine ursprüngliche Hauptstadt. Und so kann ich mich zumindest damit trösten, punkteseitig wenigstens nur vorletzter geworden zu sein. Und außerdem war ich damit – ebenfalls grausame Ironie – mit dem Chinesen gleichauf beim Domination Victory, mit jeweils einer eingenommenen Hauptstadt.

Und das waren sie, Aufstieg und Fall eines Zwergstaats, den ich sehr liebgewonnen hatte. Es hat trotzdem großen Spaß gemacht, nicht zuletzt, weil es so zügig ging, und mal was anderes war. I would do it again!

Üblicherweise macht man das ganze mit Peter und dem Wunder, das dir in der Tundra nen Sack voll Kultur und Glauben spendiert. Dann kommt man wohl ganz gut an einen Kultursieg. Aber wenn ich das nochmal versuche (und vermutlich nicht mit Peter), mach ich es vielleicht mal auf Settler.

And the winner is…

Und wer hat nun gewonnen? Tja, das war tatsächlich denkbar knapp. Hier mal zwei Screens direkt vom Schluss:

Science-Sieg: Knappe Kiste. Montezuma zog vor geraumer Zeit mit dem Science-Sieg davon, und war allen anderen quasi 2 Bubbel voraus. Aber irgendwie hat China aufgeholt.
Kultur-Sieg: Diese Anzeige ist ja immer nur so halb geil. Ja, da stehen „Turns bis zum Sieg“, aber die kommen und gehen. China hätte schon 100 Jahre früher den Kultursieg haben können. Und auch ich hatte mir durch ein paar geile Rockbands Touristen rangeholt. Am Ende hatte Teddy eine Chance.

Und gewonnen hat – bitter, bitter –:

Ich hätte mir gewünscht, dass Montezuma oder Teddy das Rennen machen, einfach, weil ich es dem Chinesen nicht gegönnt habe. Aber das Schicksal ist eine grausame Dirne.

Abschließend noch ein paar Eindrücke vom Spielende, bzw. ein paar Übersichten.

Science. Unten seht ihr, wo ich stehe, und wo die anderen sich tummeln. Montezuma war sogar noch vor dem Chinesen. Aber alle, alle waren sie ganz weit weg von Gilgabro und mir.
Politik: Hey, nur Vorletzter! Ich hatte sogar schon ein Tier-6-Gouvernement, wobei ich da im Tran versehentlich Faschismus gewählt habe. Oops…
Große Werke: Das ist eigentlich am allertraurigsten. Meine ganze schöne Strategie völlig für den Arsch. 😂

Aber, ABER:

Gegründete Städte: 1.

Und das kann mir keiner nehmen.